Raus aus der Wellblechsiedlung

Warum wandern so viele Menschen aus dem Norden Namibias in die Hauptstadt Windhuk ab? Mit diesen und
weiteren Fragen im Gepäck ging es für Elke Reinauer ins Ovamboland. Ein Erfahrungsbericht.

 

 

Seit ach Jahren reise ich nach Namibia, um mich um mein soziales Projekt Creabuntu zu kümmern. Dort bleibe ich normalerweise in Windhuk, der Hauptstadt Namibias, wo das Projekt Creabuntu im Township Katutura stattfindet. Hier bekommen Kinder Kunst- und Theaterunterricht sowie ein warmes Essen. Nach einigen Tagen im Township stand dieses Mal eine Reise ins Ovamboland in den Norden Namibias an, um eine Mitstreiterin des Projekts zu besuchen.
In den Wellblechsiedlungen im Township gibt es nicht viel Platz. Dicht an dicht stehen die Hütten, dazwischen rennen Kinder umher und der Müll sammelt sich im trockenen Flussbett. Wasser gibt es an öffentlichen Wasserhähnen, dort kommt dieses heraus, wenn man eine Prepaid-Karte ans Gerät hält. Genauso verhält es sich mit dem Strom, es läuft über Prepaid-Karten, die man bei der Stadtverwaltung kaufen kann. Die Menschen, die hier leben, kommen meistens aus dem Norden in die Stadt, in der Hoffnung auf Arbeit, die sie dann nicht finden.
Besuch im Ovamboland
Was treibt die Menschen vom Ovamboland weg? Ist es eine besonders arme Gegend? Mit diesen Fragen im Gepäck ging es auf den Weg zu Elisia Tunga Nghidishange, die als Kunstlehrerin für Creabuntu arbeitete und seit einem Jahr wieder in ihre Heimat gezogen ist. Dort baute sie sich ein Kunststudio auf, das E-Tunga-Studio. In diesem unterrichtet sie Kinder aus ihrer Heimatgemeinde im Töpfern, zeichnen, und Kunsthandwerk. Elisia ist Künstlerin, die schon internationale Ausstellungen (zum Beispiel in Rapperswill bei Zürich) hatte. Sie fertigt abstrakte Figuren und Skulpturen an, doch in ihrer kleinen Kunstschule besinnt sie sich auf ihre Wurzeln: Hier wird traditionelles Töpferhandwerk mit den Kindern und auch Erwachsenen gefertigt. „Ich stamme aus einer Gegend, in der niemand weiß, was Kunst ist. Ich sehe es als meine Aufgabe an, es ihnen beizubringen“, sagt sie. Ovamboland: Alles ist sehr ländlich in der Gegend um Eenhana (die nächste Kleinstadt). Kühe und Ziegenherden grasen am Straßenrand, die Landschaft ist durchzogen von kräftigen Bäumen und silbrig-grün schimmernden Palmen. Der Boden besteht aus tiefem Sand. Alles wirkt wie ein riesiger Garten, oder Park, doch niemand hat diesen angelegt. Ja, Namibia ist sehr trocken, hier oben an der Grenze zu Angola jedenfalls fällt der Regen und sprießt das Gras. Als arm kann man die Region nicht beschreiben. Die Fassade von Elisias Studio ist bunt angestrichen. Sie erwartet den Besuch schon, hat Schwestern und Cousinen eingeladen, die ein Huhn für uns geschlachtet haben. Ihr Kunststudio enthält neben einem Arbeits- und Unterrichtsraum auch einen kleinen Wohnbereich mit Küche und Badezimmer.
Künstlerische Bildung vermitteln
Am nächsten Tag präsentiert Elisia dann die Tonarbeiten ihrer Schüler. Anschließend findet die Abschlussveranstaltung für die Kinder ihres Kurses statt: Diese erhalten ein Zertifikat für den abgeschlossenen Kurs. Sogar einige Mütter sind gekommen, was Elisia besonders freut. So wird ihre Arbeit bekannt und die Eltern sehen, dass die Kinder etwas nützliches tun: Sie lernen sich zu konzentrieren, bringen ihre Kreativität zum Ausdruck und verbinden sich mit ihren Wurzeln, weil sie traditionelle Tonschalen und -töpfe herstellen. Elisia vermittelt die Werte, die Creabuntu sich ebenfalls auf die Fahnen geschrieben hat: künstlerische Bildung, Kreativität, Selbstständigkeit, Disziplin und lebenslanges Lernen.
Elisias Eltern leben in einem Kraal, den wir einige Tage später zusammen mit ihrer Schwester besuchen. Elisia hat insgesamt acht Geschwister. Einige davon wohnen mit ihren Kindern im Kraal der Eltern. Diese bauen Mahango (Hirse) an, halten Hühner, Kühe und Ziegen. Sie sind Selbstversorger. Ihnen gehört ein großes Stück Land, das sie bewirtschaften. Der nächste Nachbar ist einige Kilometer entfernt. Elisias Mutter flechtet Körber aus getrockneten Palmwedeln, ihr Vater baut die Aufbewahrungsbehältnisse für die Hirse, das Grundnahrungsmittel im Norden. Von Armut keine Spur. Stattdessen Platz ohne Ende, und sehr viel Herzlichkeit, die rüberkommt, trotz der Sprachbarriere: Elisias Eltern sprechen kein Englisch.
Unterstützung für Elisias Studio
Die Frage, warum viele (vor allem junge Männer) den Norden verlassen, wenn es hier doch alles gibt, kann man schon beantworten (aus Langeweile, in Hoffnung auf Geld und mehr), doch so ganz verstehen nicht. Dazu muss man einen Blick in die Geschichte Namibias werfen, was in diesem Rahmen zu weit führen würde. Ein Besuch, der nachdenklich stimmt und bleibende Eindrücke hinterlässt. Danach steht für mich fest: Creabuntu wird Elisias Studio unterstützen, damit sie auch weiterhin Kinder unterrichten kann. Sie benötigt zum Beispiel einen Brennofen für die Töpferarbeiten. Für eine Förderung hat sich Creabuntu bereits beworben.

 

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